Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt: Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz

Die Rechtsdurchsetzung bei der Bekämpfung von Hass im Netz soll vereinfacht und beschleunigt werden.

  • Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt: 23. Dezember 2020
  • Inkrafttreten: 1. Jänner 2021

Ziele

  • Schaffung eines Rechtsrahmens im Bereich des Persönlichkeitsrechtsschutzes
  • Vereinfachte und beschleunigte Rechtsdurchsetzung bei der Bekämpfung von "Hass im Netz"
  • Neustrukturierung und Ausweitung der Prozessbegleitung auf bestimmte Opfer
  • Schaffung einer Möglichkeit zur erleichterten Ausforschung der Täterin/des Täters in Privatanklageverfahren, die im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen werden
  • Entfall der Kostenersatzpflicht der Privatanklägerin/des Privatanklägers für die Verfahrenskosten bei Strafverfahren wegen übler Nachrede und Beleidigung
  • Verbesserung der Voraussetzungen im Medienrecht zur rascheren und umfassenderen Entfernung betreffender Mitteilungen oder Darbietungen “aus dem Netz”
  • Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes vor Hass im Netz
  • Ermöglichung der Erlangung von Stamm- und Zugangsdaten auch von sonstigen Diensteanbieterinnen/Dienstanbietern

Inhalt

  • Schaffung von Regelungen betreffend die Wahrnehmung des Persönlichkeitsrechtsschutzes, den Umfang der Aktiv- und Passivlegitimation sowie die Interessenabwägung
  • Vereinfachtes Unterlassungsverfahren bei Hasspostings samt Möglichkeit zur sofortigen Vollstreckbarkeit
  • Einführung eines außerstreitigen Antrags auf Herausgabe von Nutzerdaten nach § 18 Abs 4 E-Commerce-Gesetz
  • Gesetzliche Neustrukturierung und Ausweitung der Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Prozessbegleitung
  • Gesetzliche Verankerung der Zulässigkeit bestimmter Ermittlungsmaßnahmen im Rahmen der Privatanklagedelikte, die im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen werden
  • Gesetzliche Befreiung der Privatanklägerin/desPrivatanklägers von der Kostenersatzpflicht für Verfahrenskosten bei Strafverfahren wegen übler Nachrede und Beleidigung
  • Gesetzliche Neustrukturierung und Verbesserung der Voraussetzungen zur rascheren und umfassenderen Entfernung betreffender Mitteilungen oder Darbietungen aus dem Netz
  • Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes vor Cybermobbing, unbefugten Bildaufnahmen und Individualbeleidigungen aus diskriminierenden Motiven
  • Ergänzung um sonstige Dienstanbieterin/Diensteanbieter hinsichtlich Auskünfte

Hauptgesichtspunkte

Schwerwiegende Verletzungen von Persönlichkeitsrechten auf Social Media Plattformen im Internet oder durch Nutzung anderer elektronischer Kommunikationsnetze stellen eine zunehmende gesellschaftspolitische und rechtspolitische Herausforderung dar. Die Schwelle für die Begehung ist niedrig, während deren Wirkung für die Opfer oft massiv und nachhaltig ist. Der zur Verfügung stehende zivilrechtliche Rechtsschutz dauert in gravierenden Fällen mitunter zu lange, insbesondere wenn die rechtsverletzenden Inhalte für viele Userinnen/User sichtbar und zugänglich sind.

Dieser unbefriedigenden Situation wird Abhilfe geschaffen: Positivierung der Rechtsprechung zur Einwilligung, Aktiv- und Passivlegitimation sowie der Interessenabwägung bei der Durchsetzung von Persönlichkeitsrechten, einschließlich einer neuen Möglichkeit der Arbeit- oder Dienstgeberin/des Arbeit- oder Dienstgebers, gegen Hasspostings vorzugehen, die gegen seine Mitarbeiter gerichtet sind; Ermöglichung eines immateriellen Schadenersatzes bei Verletzung der Privatsphäre über ein elektronisches Kommunikationsnetz; Vereinfachtes Unterlassungsverfahren bei Hasspostings samt Möglichkeit zur sofortigen Vollstreckbarkeit, das vor allem kostengünstig gestaltet wird; Einführung eines außerstreitigen Antrags auf Herausgabe von Nutzerdaten.

Die Änderungen im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) positivieren im Wesentlichen die seit Jahrzehnten von Literatur und Rechtsprechung um die "Zentralnorm" des § 16 herum entwickelten und fortgeschriebenen Anspruchsgrundlagen des Persönlichkeitsrechts. Es werden zentrale Fragen der Aktivlegitimation, der Einwilligung und der Interessenabwägung geregelt. Insbesondere wird die Anspruchsgrundlage bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten in eine eigene Norm gegossen und ausdrücklich die bisherige Rechtslage, die einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch aus den schadenersatzrechtlichen Einzelbestimmungen abgeleitet hat, in einer allgemeinen Grundregel festgehalten.

Aufgrund der Einführung des neuen Mandatsverfahrens und eines neuen außerstreitigen Auskunftsverfahrens nach dem E-Commerce-Gesetz sind werden auch Regelungen zum Gerichtsstand und zur Zuständigkeit, zum Streitwert sowie zu den Gerichtsgebühren getroffen. Auch die Durchsetzung des Anspruches einer dritten Person gegen einen Diensteanbieter ("Host Provider") auf Herausgabe von Nutzerdaten, der als Hilfsanspruch die spätere Geltendmachung von u.a. aus Rechtsverletzungen resultierenden Unterlassungsansprüchen ermöglicht, wird durch eine vorgesehene Verlagerung in den außerstreitigen Rechtsweg samt Zuständigkeitskonzentration bei den zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelssachen berufenen Gerichtshöfen erster Instanz niederschwelliger ausgestaltet.

Es erfolgen verschiedene Verschärfungen im Bereich der Cyber-Crimes sowie des Bildnisschutzes. Bereits ein einmaliges Verfassen eines gegen die Ehre gerichteten Hasspostings sowie ein einmaliges Veröffentlichen von Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches (Cybermobbing) kann strafrechtlich verfolgt werden. Es wird ein neuer Tatbestand gegen unbefugte Bildaufnahmen (insbesondere Upskirting, also Bildaufnahmen unter den Rock) sowie deren Verbreitung, geschaffen. Gegen die Menschenwürde gerichtete Beschimpfungen von Einzelpersonen können künftig als Verhetzung mit höherer Strafdrohung geahndet werden.

Gemeinsam mit den im Zivilrecht vorgeschlagenen Bestimmungen wird ein besserer Persönlichkeitsschutz und insbesondere mehr Durchschlagskraft gegen Hass im Netz erreicht, wobei vor allem das primäre Anliegen der Opfer von Hass im Netz befördert wird, dass die betreffenden Mitteilungen oder Darbietungen so rasch und so umfassend wie möglich aus dem Netz genommen werden.

Der Opferschutz wird verbessert, der insbesondere die speziellen Bedürfnisse der von Hass im Netz betroffenen Opfer berücksichtigt. Diesen Opfern sowie minderjährigen Zeuginnen/Zeugen von Gewalt im sozialen Nahraum wird die Möglichkeit der Inanspruchnahme psychosozialer und juristischer Prozessbegleitung eingeräumt.

Darüber hinaus wird für Opfer von Hass im Netz eine Möglichkeit zur erleichterten Ausforschung des Täters in Privatanklageverfahren wegen übler Nachrede und Beleidigung etabliert. Unter Inanspruchnahme der ermittlungstechnischen Möglichkeiten des staatlichen Behördenapparates werden für die Opfer die Grundlagen für eine Strafverfolgung im Rahmen des Privatanklageverfahrens geschaffen.

Es wird sichergestellt, dass auch von Internetdiensten (insbesondere OTT-Diensten), die keine Anbieterinnen/Anbieter von Kommunikationsdiensten sind, Auskünfte über Stamm- und Zugangsdaten erlangt werden können.

Der Entfall der Kostenersatzpflicht des Privatanklägers nimmt von Hass betroffenen Opfergruppen die Bedenken vor möglichen Kostenfolgen bei Einbringung einer Privatanklage gegen den Täter.

Weiterführende Links

 

Letzte Aktualisierung: 23. Dezember 2020

Für den Inhalt verantwortlich: Bundesministerium für Justiz